Buch 1

Buch 1 : Die Zellenmönche

Kapitel 3


Die Zellenmönche«»

  1. Jene alten Mönche, deren Herzen noch in lebendiger Erinnerung an das vergossene Blut des Herrn glüh­ten, gelobten das Leben in der Einsamkeit und die Armut im Geiste und bevölkerten die Wüste. Unsere Ordensväter sind diesem Licht aus dem Osten gefolgt. Da die Zellen­mönche denselben Weg gehen, müssen sie auch in der gleichen Abgeschiedenheit leben. Daher sollen ihre Einsiedeleien weit genug von den menschlichen Wohnungen entfernt und ihre Zellen von den Geräuschen der Welt wie des eigenen Hauses getrennt sein. Vor allem sollen sie sich selber auch von den Nachrichten der Welt fern­halten.
  2. Wer standhaft in seiner Zelle ausharrt und sich durch sie belehren läßt, strebt danach, daß sein ganzer Wandel zu einem einzigen und unablässigen Gebet wird. Indes wird der Zugang zu dieser Ruhe ihm erst erschlossen, wenn er durch die Mühe eines heftigen Kampfes geübt worden ist. Bald sind es Beschwerden, die er aus Liebe zum Kreuz erträgt; bald sind es Heimsu­chungen, durch die der Herr ihn wie Gold im Schmelzofen prüft. Da wird er nun durch die Geduld geläutert, durch eifriges Betrachten der Schrift getröstet und genährt und durch die Gnade des Geistes in die Tiefe seines Herzens geführt. So vermag er jetzt Gott nicht mehr bloß zu dienen, sondern Ihm anzuhangen.
  3. Man muß auch irgendeine Handarbeit verrichten, nicht so sehr, um sich für eine Weile angenehm zu beschäftigen, als vielmehr, um durch Unterwerfung des Leibes unter das allen Menschen gemeinsame Gesetz die Freude auch an geistlicher Tätigkeit zu erhalten und zu mehren. Der Mönch erhält deshalb das notwendige Arbeitsgerät für seine Zelle, damit er sich nicht ge­nötigt sieht, diese zu verlassen. Denn das ist nur gestattet, wenn man im Kreuzgang oder in der Kirche zusammenkommt oder es allgemein angeordnet ist. Doch erlegt uns dabei gerade die Strenge unseres gewählten Berufes die Pflicht auf, im Gebrauch aller Dinge die Armut zu üben. Wünschen wir nämlich Gemeinschaft mit dem reichen Christus, müssen wir auch dem Vorbild des armen Christus nacheifern.
  4. Die Liebe zum Herrn, das Gebet und der Eifer für die Einsamkeit bilden ein einigendes Band zwischen den Zellenmönchen. Daher sollen sie sich als wahre Jünger Christi erweisen, nicht so sehr durch den Namen als durch die Tat. Sie sollen nach gegenseitiger Liebe streben und untereinander eines Sinnes sein, sich ge­genseitig ertragen und einander vergeben, wenn einer dem ändern etwas vorzuwerfen hat, damit sie einträchtig und mit einem Munde Gott preisen.
  5. Die Patres sollen im Gedächtnis behalten, daß sie auch mit den Brüdern zutiefst in Christus verbun­den sind. Sie sollen anerkennen, daß sie das reine Ge­bet in der Ruhe und Einsamkeit der Zelle dem Herrn nur in Abhängigkeit von den Brüdern darbringen können. Sie mögen bedenken, daß ihr Priesteramt ein Dienst für die Kirche ist, zumal an den näheren Gliedern, den Brüdern ihres Hauses. Sich in gegenseitiger Achtung zuvorkommend, sollen Patres und Brüder in Liebe zusammenleben; denn darin besteht das Band der Vollkommenheit, die Grundlage und Krönung jedes gottgeweihten Lebens.
  6. Der Prior hat die Aufgabe, allen seinen Söhnen, nämlich den Zellenmönchen und den Brüdermönchen,in seiner Person die Liebe des himmlischen Vaterssichtbar zu machen. Er soll sie so in Christus zusam­menführen, daß alle eine Familie werden und jedes Haus – nach einem Wort Guigos – in Wahrheit eine Kartäuserkirche ist.
  7. Wurzel und Angelpunkt dieser Kirche bildet die Feier des Eucharistischen Opfers. Es ist das wirk­same Zeichen der Einheit, die Mitte und der Höhepunkt unseres Lebens, sowie das Manna für unseren geistlichen Auszug, auf dem wir in der Einsamkeit durch Christus zum Vater zurückkehren. Auch im gesamten übrigen Voll­zug der Liturgie betet Christus für uns als unser Priester und in uns als unser Haupt – so sehr, daß wir in ihm unsere Stimme und in uns seine Stimme erkennen.
    In der Nachtwache wird unser Stundengebet nach alter Sitte ziemlich ausgedehnt, doch immer mit weisem Maß geregelt. Der Psalmengesang fördert so die innere Andacht, daß wir uns im übrigen dem geheimen Herzensge­bet hingeben können, ohne daß es Überdruß oder Ermüdung erzeugt.
  8. Nach altem Ordensbrauch wird jeder Zellenmönch durch wunderbare Herablassung der göttlichen Güte für den Altardienst bestimmt. Es offenbart sich so­mit an ihm jene Harmonie, die nach einem Wort Papst Pauls VI. zwischen Priesterweihe und Mönchsweihe be­steht. Denn nach dem Vorbild Christi wird er Priester und Opfer zugleich, Gott zum lieblichen Wohlgeruch, und durch die Gemeinschaft mit dem Opfer des Herrn erhält er Anteil an den unergründlichen Reichtümern seines Herzens.
  9. Da unser Orden gänzlich auf die Beschauung hinge­ordnet ist, müssen wir unsere Trennung von der Welt überaus gewissenhaft wahren. Daher sind wir von jedem Seelsorgsdienst befreit, um im Geheimnisvollen Leib Christi unsere eigene Aufgabe erfüllen zu können, mag auch die Notwendigkeit des tätigen Apostolates noch so drängen.
    Auch wenn der Dienst der Martha Sorgen und Unruhe mit sich bringt, so ist er dennoch lobenswert. Gleich­wohl soll Martha ihre Schwester dulden, die zu Füßen Christi sitzt und in der Muße inne wird, daß er Gott ist; die ihren Geist reinigt, ihr Gebet zum Herzen geben läßt und hört, was der Herr im Innern zu ihr spricht; die so im Spiegel und rätselhaft schon ein wenig kosten und erkennen kann, wie süß er ist, und die für Martha sowie für alle, die sich auf dieselbe Weise mühen, inständig betet. Maria findet nicht nur einen vollkommen gerechten Richter, sondern ebenso einen ganz treuen Anwalt. Der Herr selbst läßt sich herab, ihre Berufung zu verteidigen, ja zu empfehlen, da er sagt: Maria hat den besten Teil erwählt, der soll ihr nicht genommen werden. Mit diesen Worten befreit er sie davon, die Sorgen und die Unruhe Marthas zu teilen, mögen diese noch so fromm und hingebend sein.

Kapitel 4


Das Beobachten der Zelle und der Stille«»

  1. Unsere Hauptaufgabe und unsere Berufung sind, uns der Stille und der Einsamkeit der Zelle hinzugeben. Sie ist das Heilige Land, der Ort, wo Gott und sein Diener häufige Gespräche führen, so wie es zwischen Freunden üblich ist. Dort vereint sich oft die treue Seele mit dem Wort Gottes, die Gemahlin mit dem Gemahl, die Erde mit dem Himmel, der Mensch mit dem Göttlichen. Jedoch lang ist der Pfad, karg und ausgetrocknet sind die Wege, die man bis zur Quelle folgen muss, im verheißenen Land.
  2. Der Bewohner der Zelle muss also mit der größten Sorgfalt darauf achten, keine Gelegenheiten – außer jene, die von der Regel vorgesehen sind – zum Hinausgehen zu schmieden oder zu akzeptieren: Er schätzt die Zelle vielmehr für sein Heil und sein Leben so unabdinglich, wie das Wasser den Fischen oder das Traute Herde den Schafen. Wenn er sich daran gewöhnt, sie regelmäßig – aus leichtfertigen Motiven – zu verlassen, so wird sie ihm schnell unerträglich werden. Denn wie sagt der Heilige Augustinus: Keine Arbeit fällt den Freunden dieser Welt so schwer, wie ohne Arbeit zu sein. Ganz im Gegenteil, je länger er in der Zelle verweilt, desto freiwilliger bleibt er dort; unter der Bedingung, sich dort seinen Beschäftigungen, dem Lesen, Schreiben, Psalmodieren, durch das Gebet, die Andacht, die Betrachtung und die Arbeit, geordnet und Frucht bringend nachgeht.Während dieser Zeit soll er sich dem stillen Hinhören seines Herzens zur Gewohnheit machen, das Gott erlauben, über alle Wege und Zugänge in sein Herz vorzudringen. So vermeidet er mit Gottes Hilfe die Gefahr, die alle Einsiedler droht, nämlich in der Zelle der Einfachheit nachzugeben und schließlich zu den Mittelmäßigen zu zählen.
  3. Nur jener, der ihre Erfahrung gemacht hat, kennt die Früchte der Stille. Zu Beginn muss man sich Mühe geben, um still zu sein; wenn man ihr jedoch treu ist, so wird nach und nach aus unserer Sille selbst in uns etwas geboren, das noch mehr Stille anzieht. Um dies zu erreichen, ist es verboten, ohne Erlaubnis des Oberen unter uns zu sprechen.
  4. Die erste Geste der Nächstenliebe gegenüber unseren Brüdern ist, ihre Einsamkeit zu respektieren. Wenn es uns aufgrund einiger Angelegenheiten erlaubt ist zu sprechen, so seien wir so kurz wie möglich.
  1. Menschen, die nicht dem Orden angehören und nicht danach streben, ihm beizutreten, können nicht in unseren Zellen untergebracht werden.
  2. Jedes Jahr widmet sich jeder Zellenmönch über acht Tage hinweg noch inständiger dem Frieden der Zell und der inneren Sammlung. Gemäß unserem Brauch ist dafür der Jahrestag des Gelübdes die günstige Gelegenheit, diese Einkehrtage zu machen.
  3. Gott hat uns in die Wüste geführt, um mit unserem Herzen zu sprechen. Unser Herz soll also wie ein lebendiger Altar sein, von dem ohne Unterlass ein reines Gebet zum Herrn empor steigt; und dieses soll unser ganzes Handeln durchdringen

Kapitel 5


Die Betätigungen In der Zelle«»

  1. Der Zellenmönch ist in seinem persönlichen Dienst dem göttlichen Gesetz der Arbeit unterworfen und flieht den Müßiggang, der nach der Lehre der Alten ein Feind der Seele ist. Daher nimmt er demütig und freudig alles an, was die Bedürfnisse seines Lebens in Armut und Einsamkeit ihm gerade zu tun vorschreiben, doch unter der Bedingung, daß alles auf den Dienst der gött­lichen Beschauung, dem er ganz geweiht ist, hingeordnet wird. Denn außer den verschiedenen Arten von Handarbeit wird unser Arbeitspensum von allen Pflichten unseres Standes festgesetzt, hauptsächlich von denen, die sich auf den Gottesdienst oder auf das Studium der Gottes­wissenschaft beziehen.
  2. Um die Zeit unseres Ordenslebens nicht unnütz in der Zelle zu verbringen, müssen wir uns in erster Linie tatkräftig und besonnen zugleich den uns angemes­senen Studien widmen; nicht weil es uns reizt, zu ler­nen oder Bücher herauszugeben, sondern weil die weise geregelte Lesung die Seele zuverlässiger unterrichtet und die Grundlage für die Betrachtung der himmlischen Dinge bietet. Es irren nämlich jene, die meinen, leicht zu einer tieferen Vereinigung mit Gott erhoben werden zu können, wenn sie das Studium des Gotteswortes ent­weder vorher vernachlässigen oder nachher aufgeben. Suchen wir daher, indem wir uns mehr mit dem Mark des Sinnes als mit dem Schaum der Worte beschäftigen, die göttlichen Geheimnisse mit jener Wißbegier zu erfor­schen, die aus der Liebe hervorgeht und die Liebe entflammt.
  3. Durch die Handarbeit übt sich der Mönch in der Demut und bringt den ganzen Leib in Dienstbarkeit, um dadurch besser die Festigkeit der Seele zu errei­chen. Deshalb kann er sich zur festgesetzten Zeit (46.8) mit Handarbeiten beschäftigen, die wirklich von Nutzen sein sollen. Denn mit überflüssigen und nichtigen Arbeiten darf man die kostbare, einem jeden zur Verherrlichung Gottes geschenkte Zeit nicht vergeu­den. Damit wird aber in dieser Zeit die Nützlichkeit einer Lesung oder eines Gebetes nicht ausgeschlossen. Ja, wir werden sogar ermahnt, bei der Arbeit immer wenigstens zu kurzen Stoßgebeten unsere Zuflucht zu nehmen. Zuweilen dient auch das Gewicht der Arbeit den unruhig treibenden Gedanken als ein Anker, wodurch das Herz ohne Ermüdung des Geistes dauernd fest in Gott ruhen kann.
  4. Die Arbeit ist ein Dienst, der uns mit Christus vereinigt, der nicht gekommen ist, um sich bedie­nen zu lassen, sondern um zu dienen. Lob verdienen jene, die von selbst darauf bedacht sind, ihre Gerät­schaften, Werkzeuge und die anderen Gebrauchsgegenstän­de so sorgfältig zu behandeln, daß sie nach Möglichkeit die Hilfe der Brüder nicht in Anspruch zu nehmen brau­chen. Alle aber sind verpflichtet, ihre Zelle sauber und in Ordnung zu halten.
  5. Der Prior kann jederzeit einem Pater eine Arbeit oder einen Dienst zum Wohl der Gemeinschaft aufer­legen. Diese Arbeit oder diesen Dienst nimmt er gern und in der Freude, die aus der Liebe hervorgeht, an, eingedenk seiner Bitte an seinem Profeßtag, als demü­tigster Diener aller aufgenommen zu werden. Wird aber einem Zellenmönch eine Arbeit übertragen, soll diese in ihrer Durchführung immer die Freiheit des Geistes gewährleisten und keinerlei Beunruhigung durch Gedanken an Gewinn oder termingerechte Fertigstellung der Arbeit hervorrufen. Denn der Einsiedler, der nicht so sehr seine Tätigkeit als sein Ziel vor Augen hat, muß sich stets ein wachsames Herz bewahren können. Zum ruhigen und gesunden Ausharren in der Einsamkeit aber wird es oft von Vorteil sein, wenn der Mönch eine gewisse Frei­heit in der Einteilung seiner Arbeit besitzt.
  6. In der Regel sollen die Patres nicht zu Arbeiten außerhalb ihrer Zelle eingesetzt werden, zumal nicht in den Obedienzen der Brüder. Werden aber dennoch einmal einige Patres gleichzeitig für dieselbe Arbeit bestimmt, dürfen diese zwar miteinander über das zu ihrer Arbeit Dienliche sprechen, jedoch nicht mit Hin­zukommenden.
  7. Unser Eifer soll also stets gewissermaßen aus einer inneren Quelle hervorfließen nach dem Vor­bild Christi, der immer derart mit dem Vater am Werk ist, daß der in ihm bleibende Vater selbst die Werke vollbringt. So wollen wir denn Jesus in seinem demüti­gen, verborgenen Leben zu Nazaret nachfolgen, ob wir nun zum Vater im Verborgenen beten oder im Gehorsam vor Ihm arbeiten.

Kapitel 6


Die Beobachtung der Klausur«»

  1. Von Anfang an beabsichtigte unser Orden, unsere vollkommene Weihe an Gott durch strenge Einhaltung der Klausur zum Ausdruck zu bringen und ihr eine Stütze zu bieten. Welch ernster Veranlassung es bedarf, um nach auswärts zu gehen, wird allein aus der Tatsache deutlich, daß der Prior der Großen Kartause die Grenzen seiner Einöde nie überschreitet. Da die gleiche klö­sterliche Ordnung einheitlich und ohne Unterschied von allen Professen eingehalten werden muß, bewilligen wir, die wir die kartusianische Lebensform angenommen haben und deshalb Kartäuser heißen, nicht leicht Ausnahmen. Muß dennoch einmal eine Ausnahme gemacht werden, so ist dafür, von einem dringenden Fall und den anderen in den Statuten angegebenen Fällen abgesehen, immer die Er­laubnis des Reverendus Pater einzuholen.
  2. Außer dem Prior und dem Prokurator darf kein Zellenmönch das Haus zur Erledigung irgendwelcher Geschäfte verlassen. Auch darf niemand ohne Erlaubnis die Römische Kurie besuchen. Handelt es sich jedoch um unvermeidliche Geschäfte mit den Zivilbehörden, kann der Prior einem gestatten, eine der benachbarten Städte aufzusuchen, falls er am gleichen Tag zurückkehrt. Die­se Städte werden von den Visitatoren in Übereinstimmung mit dem Generalkapitel oder dem Reverendus Pater ange­geben. Wer aber ausgehen darf, soll nur solche Personen oder Orte besuchen, die zu seiner geschäftlichen Sen­dung gehören.
  3. Der Prior soll seine Untergebenen zum Empfang der Weihen in die eigene Diözesanstadt oder, wenn dort keine Weihen gespendet werden, in den nächstgelegenen Ort schicken. Alle, denen diese große Gnade zuteil wird, besonders jene, die zu Priestern geweiht werden, sollen danach trachten, die Weihetage soweit als mög­lich in Einsamkeit und Schweigen zu verleben, unter Wahrung der ihren Eltern schuldigen Liebe.
  4. Die Strenge der Klausur würde aber in eine phari­säische Beobachtung der Regel verkehrt, wenn sie nicht ein Zeichen jener Herzensreinheit wäre, der al­lein die Verheißung gilt, Gott zu schauen. Wer sie er­langen will, muß sehr abgetötet sein, vor allem im Hinblick auf die natürliche Neugier, die der Mensch für menschliche Angelegenheiten an sich erfährt. Wir dürfen nicht durch Haschen nach Neuigkeiten und Gerüchten unsere Phantasie durch die Welt schweifen lassen. Unser Anteil ist es vielmehr, verborgen im Schutz des Ange­sichtes Gottes zu weilen.
  5. Darum sollen wir jene weltlichen Bücher oder Zeit­schriften, die unser inneres Schweigen aufwühlen könnten, meiden. Besonders widerspräche es dem Ordens­geist, Zeitungen, die über Politik handeln, irgendwie in den Kreuzgang einzuschleusen. Ja, die Prioren sollen überhaupt den Mönchen raten, beim Lesen profaner Lektü­re sehr besonnen zu sein. Allein, diese Ermahnung setzt einen reifen, selbständigen Geist voraus, der gelernt hat, ehrlich alle Folgerungen aus dem erwählten besten Teil zu ziehen, nämlich dem Herrn zu Füßen zu sitzen und seinem Wort zu lauschen.
  6. Die Vertrautheit mit Gott engt aber das Herz nicht ein, sondern macht es weit, so daß es die Mühen und Nöte der Welt sowie die großen Anliegen der Kirche in Gott zu umfangen vermag. Es ist angebracht, daß die Mönche darüber in etwa Bescheid wissen. Die ehrliche Sorge um die Mitmenschen soll sich jedoch nicht in der Befriedigung der Neugier, sondern in der inneren Ver­einigung mit Christus vollziehen. Auf den Geist in seinem Innern lauschend, soll jeder unterscheiden, was er in seine Gedankenwelt aufnehmen kann, ohne das Ge­spräch mit Gott zu stören.
  7. Erhalten wir zufällig Kunde von Ereignissen in der Welt, sollen wir uns hüten, sie weiterzuerzählen. Weltliche Neuigkeiten sollen wir lieber dort lassen, wo wir sie gehört haben. Denn Sache des Priors ist es, seinen Mönchen mitzuteilen, was sie undbedingt wissen sollen, zumal wenn es sich um Leben und Nöte der Kirche handelt.
  8. Mit Personen des Ordens oder mit anderen, die ge­legentlich bei uns zu Gast sind, sollen wir keine Unterredung suchen, außer wenn es wirklich nötig ist. Denn wer die Einsamkeit pflegt, im Schweigen verharrt und nach Ruhe verlangt, hat keinen Nutzen davon, wenn er ohne Grund andere besucht oder von anderen besucht wird.
  9. Da aber geschrieben steht: Ehre deinen Vater und deine Mutter, lockern wir an zwei Tagen im Jahr die Klausurstrenge, um unsere Eltern oder andere Ange­hörige zu empfangen. Die beiden Tage können getrennt oder zusammenhängend sein. Sonstige Besuche von Freun­den jedoch und Unterhaltungen mit Weltleuten meiden wir, außer wenn es sich um der Liebe Christi willen schlechterdings nicht vermeiden läßt. Denn wir wissen, daß Gott dieses Opfer wert ist, das wir ihm bringen, und es den Menschen mehr nützen wird als unsere Gesprä­che.
  10. Die äußere Klausur wäre auch sinnlos, wenn wir mit Außenstehenden einen regen Briefverkehr unterhiel­ten. Darum versenden oder empfangen wir keine Briefe ohne Wissen des Priors. Ausgenommen sind Briefe, die an das Generalkapitel, den Reverendus Pater, die zuständi­gen Visitatoren, den Generalprokurator, den Scriba und an den Heiligen Stuhl gerichtet oder von ihnen erhalten werden. Auch haben jene, die unter der Leitung des Ma­gisters stehen, freien Briefverkehr mit ihm. Private Telephongespräche aber meiden wir, außer in schwerwie­genden Fällen.
  11. Niemals gestatten wir eine briefliche Seelenfüh­rung. Auch darf keiner von uns öffentlich predi­gen. Denn wenn die Weltleute aus unserem Schweigen keinen Nutzen ziehen, dann noch viel weniger aus unse­rem Reden.
  12. Weil der Einsiedler keinen Lehrauftrag hat, maße sich kein Ordensmitglied an, Bücher oder Abhand­lungen drucken oder in Zeitschriften erscheinen zu lassen, die das Generalkapitel oder der Reverendus Pater nicht vorher gebilligt hat. Mit Aufnahmen und Interviews aber, die zuweilen von den Massenmedien von uns erbeten werden, sollen wir sehr vorsichtig sein.
  13. Hinsichtlich der Beichten ordensfremder Personen ermahnen wir die Prioren zu großer Zurückhaltung. Wenn nicht erforderlich, sollen sie solche Beichtgele­genheiten, die der Eigenart unserer Berufung nämlich ganz zuwider sind, überhaupt nicht zulassen. Haben sie einmal notgedrungen solche Beichten gestattet, sollen sie darauf achten, daß sie nicht zur Gewohnheit werden, und sie bei erster Gelegenheit unterbinden. Auf keinen Fall aber nehme man Frauen zur Beichte oder Seelenfüh­rung an.
  14. In unseren Ordenshäusern, die kanonisch errichtet sind, wird die strenge Klausur nach der Tradition des Ordens bewahrt. Frauen können innerhalb der Klausur nicht zugelassen werden. Beim Gespräch mit Frauen wah­ren wir jene Zurückhaltung, die sich für einen Mönch geziemt.
  15. Die Mönche sollen bedenken, daß die Keuschheit um des Himmelreiches willen, zu der sie sich ver­pflichten, als überaus hohe Gnadengabe zu schätzen ist. Denn sie macht ihr Herz in einzigartiger Weise frei, um leichter mit ungeteilter Liebe dem Herrn anhangen zu können. So verwirklichen sie jenen geheimnisvollen Ehe­bund, den Gott gegründet hat und der erst in der künf­tigen Welt ganz offenbar wird, den Ehebund der Kirche mit Christus, ihrem einzigen Bräutigam. Sie sollen also treu zu ihrem Gelöbnis stehen, den Worten des Herrn Glauben schenken, auf Gottes Hilfe vertrauen und sich nicht auf die eigenen Kräfte verlassen, Abtötung üben und die Sinne überwachen. Auch sollen sie ihr Vertrauen auf Maria setzen, die durch ihre Demut und Jungfräu­lichkeit Mutter Gottes zu werden verdiente.
  16. Welchen Gewinn und göttlichen Genuß die Einsamkeit und das Schweigen der Einöde denen bereiten, die sie lieben, wissen nur, die es erfahren haben.
    Denn hier können mutige Männer, sooft sie es wün­schen, bei sich Einkehr halten und verweilen, mit Fleiß die Tugendkeime pflegen und glücklich von den Früchten des Paradieses essen.
    Hier sucht man jenes Auge, dessen leuchtender Blick das Herz des Bräutigams verwundet, in jener Liebe, deren klare Reinheit Gott schaut.
    Hier lebt man in einer Muße voller Tatkraft und verharrt in einer Tätigkeit voller Ruhe.
    Hier verleiht Gott seinen Streitern für die Kamp­fesmühe den ersehnten Lohn: den Frieden, den die Welt nicht kennt, und die Freude im Heiligen Geist.

Kapitel 7


Abstinenz und Fasten«»

  1. Christus hat für uns gelitten und uns ein Beispiel gegeben, damit wir seinen Fußspuren folgen. Das tun wir, wenn wir die Mühsale und Ängste dieses Lebens auf uns nehmen, die Armut in der Freiheit der Kinder Gottes bejahen und dem Eigenwillen entsagen. Überdies sollen wir nach monastischer Überlieferung Christus bei seinem Fasten in der Wüste folgen, indem wir den Leib züchtigen und gefügig machen, damit das Herz in Sehn­sucht nach Gott erglüht.
  2. Die Zellenmönche halten in jeder Woche eine Absti­nenz, die gewöhnlich am Freitag ist. An diesem Tag begnügen sie sich mit Brot und Wasser. Zu bestimmten Zeiten und Tagen halten sie das Ordensfasten, bei dem sie nur einmal am Tag essen (vgl. Kap. 48).
  3. Die Abtötung des Fleisches sollen wir nicht allein aus Gehorsam gegen die Statuten üben, sondern in erster Linie, um, von der Begierde des Fleisches be­freit, um so freudiger hinter dem Herrn herzugehen.
    Stellt aber jemand in einem bestimmten Fall oder im Laufe der Zeit fest, daß eine unserer Observanzen seine Kräfte übersteigt und dadurch sein Geist in der Nachfolge Christi mehr gehemmt als angespornt wird, so lege er zusammen mit dem Prior mit kindlichem Herzen das richtige Maß seiner Abtötung wenigstens für eine gewisse Zeit fest. Die Entscheidung aber, was er zu leisten vermag, treffe er immer im Bewußtsein des Rufes Christi. Und was er dem Herrn in der allgemeinen Regel­befolgung nicht darbringen kann, das opfere er auf an­dere Weise durch Selbstverleugnung und tägliches Tragen seines Kreuzes auf.
  4. Infolgedessen soll man die Novizen allmählich an die Abstinenzen und Fasten des Ordens gewöhnen, damit sie unter der Leitung des Magisters klug und sicher nach der strengen Beobachtung der Regel streben. Der Magister lehre sie, besonders wachsam zu sein, daß sie nicht unter dem Vorwand des vorgeschriebenen Fa­stens gegen die Mäßigkeit bei der Mahlzeit verstoßen. Auf diese Weise werden sie lernen, durch den Geist die Werke des Fleisches zu töten und das Todesleiden Jesu an ihrem Leib zu tragen, damit auch das Leben Jesu an ihrem Leib sichtbar wird.
  5. Gemäß dem von unseren ersten Vätern eingeführten und stets mit ausgezeichnetem Eifer bewahrten Brauch haben wir den Genuß von Fleisch von unserer Lebensweise gänzlich ausgeschlossen. Diesen Verzicht auf Fleisch sollen wir beobachten als ein charakteri­stisches Merkmal unseres Ordens und ein Zeichen eremi­tischer Strenge. Und mit Gottes Hilfe wollen wir auch weiterhin daran festhalten.
  6. Unvereinbar mit der kartusianischen Nüchternheit und der freiwilligen Armut wäre auch das Murren über die Kost, zumal vor dem Konvent. Doch wollen wir damit nicht verbieten, daß jeder seine Bedürfnisse bescheiden und verzichtbereit dem Prior darlegen kann, der seine Mönche, entsprechend der Art unseres Ordens, mit allem Nötigen hinreichend versorgen soll.
  7. Allzeit soll die Einfachheit in den Speisen ge­wahrt werden. Das gilt auch für Festtage, obschon wir dann unsere innere Freude auch nach außen mäßig zeigen dürfen. Glaubt aber der Prior, etwa eingedrunge­nen Mißbräuchen Einhalt gebieten zu müssen, sollen sich alle freudig seiner Anordnung fügen.
  8. Bußübungen, die in diesen Statuten nicht gelehrt werden, darf keiner von uns ohne Wissen und Zustimmung des Priors vornehmen. Aber auch dann, wenn der Prior will, daß sich jemand mehr Speise, Schlaf oder etwas anderes gönnt, oder wenn er ihm etwas Hartes und Schweres auferlegt, haben wir kein Recht zu widerste­hen. Denn wir möchten nicht, indem wir uns ihm widersetzen, einmal als widersetzlich nicht gegen ihn, son­dern gegen den Herrn erfunden werden, dessen Stelle er für uns vertritt. Mögen nämlich unsere Übungen auch zahlreich und mannigfaltig sein, ohne das Gut des Ge­horsams hoffen wir vergebens, dereinst ihre Früchte zu ernten.

Kapitel 8


Der Novize«»

  1. Wenn einer, von glühender Liebe zu Gott ergriffen und von dem Verlangen beseelt, die Welt zu verlas­sen und die ewigen Güter zu erstreben, zu uns kommt, soll er von uns mit der gleichen Gesinnung aufgenommen werden. Daher ist es überaus notwendig, daß die Novizen in den Häusern ihrer Ausbildung das Beispiel der Regel­treue und Frömmigkeit, der Bewahrung der Zellenruhe und des Stillschweigens vorfinden und ebenso das Vorbild der Liebe unter Brüdern. Fehlt dies, so besteht kaum Hoffnung für ihr Ausharren in unserer Lebensweise.
  2. Die Kandidaten aber, die zu uns kommen, soll man mit sorgfältiger Umsicht prüfen, nach der Mahnung des Apostels Johannes: Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind. Unzweifelhaft hängt ja von der guten oder schlechten Aufnahme und Ausbildung der Novizen vornehm­lich die Blüte oder der Verfall des Ordens ab, sowohl im Blick auf die Eignung als auch die Zahl seiner Mitglieder.
    Deshalb sollen sich die Prioren vorsichtig nach ihrer Familie und ihrem Vorleben sowie nach ihrer kör­perlichen und geistigen Eignung erkundigen. Aus diesem Grund ist es auch nützlich, kluge, mit unserer Lebens­weise vertraute Ärzte zu Rate zu ziehen. Zu den Gaben nämlich, die die Kandidaten zum Leben in der Einsamkeit mitbringen sollen, zählt vor allem ein maßvolles und gesundes Urteil.
  3. In der Regel nehmen wir keine Novizen auf, die daszwanzigste Lebensjahr noch nicht erreicht haben.Überdies sollen nur solche Bewerber aufgenommen werden,die nach dem Urteil des Priors und der Konventmehrheit ausreichende Schulbildung, Frömmigkeit, Reife und kör­perliche Gesundheit besitzen, um die Lasten des Ordens tragen zu können, und die sich für die Einsamkeit, aber auch für das Gemeinschaftsleben gut eignen.
  4. Hingegen müssen wir bei der Aufnahme von Personen in vorgerücktem Alter vorsichtiger sein, da sie sich schwerer an die Observanzen und die Art unseres Lebens gewöhnen. Daher wollen wir nicht, daß jemand ohne ausdrückliche Erlaubnis des Generalkapitels oder des Reverendus Pater nach vollendetem fünfundvierzigsten Lebensjahr noch aufgenommen wird. Dieselbe Erlaub­nis ist notwendig, um einen Ordensmann, der in einem anderen Institut durch das Band der Profeß gebunden ist, zum Noviziat zuzulassen. Handelt es sich um einen Professen mit ewigen Gelübden, benötigt der Reverendus Pater die Zustimmung des Generalrates. War der Kandidat irgendwann in einem religiösen Institut durch Gelübde gebunden, ist es ratsam, vor der Zulassung den Reveren­dus Pater zu befragen.
  5. Personen, die – in welchem Stand auch immer – in unseren Häusern gelebt haben und nachher ausgetre­ten sind, sollen in einem anderen oder in demselben Haus ohne Befragung des Reverendus Pater und der Obe­ren, die sie kennen, nicht wieder aufgenommen werden. War jemand in unserem Orden schon Novize oder Professe, beginnt er die Probezeit von neuem.
  6. Kommt jemand zu uns, der Zellenmönch werden will, frage man ihn zunächst im persönlichen Gespräch nach seinem Beweggrund und seiner Absicht. Macht er den Eindruck, wirklich Gott allein zu suchen, so erkundige man sich nach dem, was wir alsdann wissen müssen: ob er die für einen zum Priestertum bestimmten Mönch hinrei­chende Schulbildung besitzt; ob er singen kann; ob kein den kirchenrechtlichen Bestimmungen entsprechendes Hindernis vorliegt. Der Postulant kann aber das Noviziat nur beginnen, wenn er das Latein zur Genüge beherrscht.
  7. Danach erklärt man dem Kandidaten unser Lebens­ziel: sowohl die Verherrlichung, die wir Gott durch unsere Schicksalsgemeinschaft mit dem Erlösungs­werk zu erweisen hoffen, als auch, wie gut und angenehm es ist, Christus anzuhangen, nachdem wir alles verlas­sen haben. Doch kündigt man ihm auch alles Harte und Rauhe an und stellt ihm soweit als möglich die ganze, von ihm erstrebte Lebensweise vor Augen. Bleibt er daraufhin unerschrocken und gelobt entschlossen und bereitwillig, um der Herrenworte willen auf rauhen Pfaden zu verharren und mit Christus sterben und leben zu wollen, dann rät man ihm schließlich, sich gemäß dem Evangelium mit allen, die etwas gegen ihn haben, zu versöhnen.
  8. Nach einer Probezeit, die wenigstens drei volle Monate und nicht länger als ein Jahr dauert, wird der Postulant an einem bestimmten Tag dem Konvent vor­gestellt, der dann an einem anderen Tag über seine Zu­lassung abstimmen wird.
  9. Sooft ein Kandidat zu einer neuen Probestufe zu­zulassen ist, stimmt der Konvent darüber beschlie­ßend ab.
    Die Abstimmung ist so zu verstehen: Verweigert die Mehrheit des Konvents die Zustimmung, oder kommt keine Mehrheit zustande, muß uns der Kandidat verlassen. Durch eine bejahende Abstimmung erklärt sich der Kon­vent seinerseits bereit, den Kandidaten aufzunehmen. Doch ist es Sache des Priors, ihn als Vater aller auf­zunehmen, ohne durch eine solche Abstimmung gebunden zu sein (vgl. 24.3 und 37.2).
  10. Nachdem der Postulant vorher acht Tage Exerzitien gemacht hat, wird er vom Prior unter dem Mönchsgewand in die Gemeinschaft des Ordens aufgenommen. Man muß aber wissen, daß kein Novize in Abwesenheit des Priors aufgenommen werden kann, es sei denn mit seiner besonderen Erlaubnis.
  11. Der Novize soll sein Geld und seine anderen Sa­chen, die er etwa mitgebracht hat, vollständig dem Prior aushändigen. Denn nicht er selbst, sondern der Prior oder der vom Prior Beauftragte soll diese Sachen treu wie anvertrautes Gut aufbewahren. Doch der Novize folge, nachdem er alles verlassen hat, Christus nach. Wir erbitten oder verlangen jedoch in keiner Weise etwas von den Novizen oder von denen, die in unseren Orden eintreten wollen.
  12. Der Novize wird nicht öffentlich getadelt; bei Fehlern wird er vom Prior, Magister oder Vikar belehrt. Der Vikar aber hüte sich vor jeder Einmischung in die Noviziatsleitung. Solange der Novize oder Jung­professe noch dem Magister unterstellt ist, soll er sich bei den gemeinsamen Unterhaltungen, Spaziergängen und Arbeiten nicht zu den Professen mit feierlichen Gelübden gesellen. Drei- bis viermal im Jahr, oder nach dem Urteil des Priors öfter, können die Noviziatsmit­glieder jedoch an den Erholungen oder Spaziergängen der Professen mit feierlichen Gelübden teilnehmen. Diese sollen sich nicht in die Ausbildung der jungen Mönche einmischen und daran denken, daß deren Ordensgeist und sogar deren Ausharren von ihrem Beispiel abhängen kann. Der Novize aber lerne von Anfang seines neuen Wandels an, mit Liebe über die Brüder zu denken und im Schweigen zu verharren.
  13. Die Noviziatszeit beträgt zwei Jahre. Diese Zeit kann der Prior verlängern, jedoch nicht über sechs Monate.
  14. Wird ein ewiger Professe eines anderen religiösen Instituts aufgenommen, bleibt er fünf Jahre Novi­ze. Das letzte Jahr soll er bei den Professen mit feierlichen Gelübden verbringen. Dann kann er auch die Ämter des Priesters und Diakons im Konvent ausüben.
    Für die Zulassung zum Noviziat gilt, was oben ge­sagt wurde (8.9); ebenso nach Verlauf von zwei Jahren, dann nach weiteren zwei Jahren und schließlich vor der feierlichen Profeß.
  15. Mit dem Noviziat für die Zellenmönche kann man nicht Brudermönch werden und umgekehrt.
  16. Möge sich der Novize nicht durch Versuchungen zer­mürben lassen, die den Anhängern Christi in der Einsamkeit gewöhnlich auflauern. Auch verlasse er sich nicht auf seine eigenen Kräfte, sondern vertraue auf den Herrn, der ihm die Berufung geschenkt hat und das begonnene Werk auch vollenden wird.

Kapitel 9


Der Novizenmeister«»

  1. Mit der Ausbildung der Novizen soll ein Magister betraut werden. Er zeichne sich aus durch Klug­heit, Liebe und Regeltreue und habe die erforderliche Reife und Erfahrung in Sachen des Ordens. Er sei ein vorzüglicher Freund der Ruhe und der Zelle, beseelt von Liebe zu unserer Berufung, mit Verständnis für die ver­schiedenen Gemütsarten und einem offenen Herzen für die Bedürfnisse der jungen Mönche. Ferner soll er bei seiner hingebenden Bemühung um die geistliche Vervollkommnung der jungen Mönche auch die Fehler der anderen sorgsam zu entschuldigen wissen.
  2. Es wird ihm sehr empfohlen, den Verkehr mit den Professen mit feierlichen Gelübden nicht abzubre­chen, vielmehr öfters den gemeinsamen Unterhaltungen beizuwohnen. Dadurch lernt man einander als Brüder besser kennen, und die gegenseitige Liebe wird geför­dert. Der Prior aber sei darauf wachsam bedacht, daß der Magister nicht mit nebensächlichen Arbeiten be­schäftigt wird, damit er, der sich ja der Ruhe in der Zelle widmen muß, vor allem das Beispiel der Sammlung gebe.
  3. Die wachsame Sorge des Magisters gelte der Aufnah­me der Novizen. Er lege dabei mehr Gewicht auf gute als auf viele Berufe. Denn das Wollen genügt nicht, um zugleich mit dem Namen auch wirklich ein Kartäuser zu sein. Neben der Liebe zur Einsamkeit und zu unserem Leben wird auch eine besondere Eignung des Herzens und des Leibes gefordert, woran der Ruf Gottes erkannt werden kann. Darauf sei der Magister bedacht, dem ja in erster Linie die Prüfung und Beurteilung der Neulinge zukommt. Er übersehe auch nicht, daß gewisse Fehler, die im Anfang unbedeutend erscheinen mögen, nach der Profeß öfter größer und häufiger werden. Es ist zwar eine schwerwiegende Entscheidung, jemanden zurückzuweisen oder zu entlassen, und man soll sich nur nach reiflicher Überlegung dazu entschließen; ein falsches und sozusagen grausames Mitleid ist es aber, jemanden aufzunehmen oder länger zu behalten, wenn feststeht, daß ihm die nötigen Gaben fehlen. Der Magi­ster achte unbedingt darauf, daß der Novize über seine Lebensweise in voller Freiheit entscheide, und er dränge ihn in keiner Weise zur Ablegung der Profeß.
  4. Zu gelegener Zeit besuche der Magister den Novizen und unterrichte ihn in allen Ordensbräuchen, die der Novize unbedingt wissen muß. Ferner halte er ihn eindringlich zum aufmerksamen Studium der Ordenssatzun­gen an. Dem Magister ist es auch aufgegeben, das sitt­liche Verhalten des Novizen zu formen, ihn bei den geistlichen Übungen zu lenken und in seinen Versuchun­gen die geeigneten Heilmittel anzuwenden. Er trage Sorge, daß die Liebe der jungen Mönche zu Christus und zur Kirche ständig wachse. Obschon er nach dem Beispiel unseres heiligen Vaters Bruno die herzliche Liebe einer Mutter haben soll, muß er auch die kraft­volle Autorität eines Vaters zeigen, damit die Ausbil­dung des Neulings monastisch und männlich sei. Vor allem lasse er die Novizen das einsame Leben in der Zelle mit seiner Nüchternheit aus eigener Erfahrung kennenlernen und lehre sie, sich in aufrichtiger und einfältiger Liebe gegenseitig geistliche Hilfe zu lei­sten.
  5. Der Novize zieht zwar aus der Beschäftigung mit Studium und Handarbeit großen Nutzen; allein, es ist nicht genug, daß der Zellenbewohner seine Beschäf­tigung hat und bis zum Lebensende lobenswert ausharrt. Es wird etwas anderes verlangt: nämlich der Geist des Gebetes und der Fürbitte. Denn wo das Leben nicht in Gemeinschaft mit Christus geführt wird und die Seele nicht in inniger Vereinigung mit Gott steht, da hilft auch die treue Beobachtung der Zeremonien und der Regel nicht viel, und unser Leben gliche mit Recht einem Körper ohne Seele. Deshalb erachte der Magister nichts für dringlicher, als den Novizen diesen Gebetsgeist einzuprägen und weise zur Entfaltung zu bringen, damit sie nach ihrer Profeß Gott Tag für Tag näherkommen und ihr Berufsziel erreichen.
  6. Der Magister sei bestrebt, immer zu den Quellen jedes christlichen Lebens, zu den Zeugnissen der monastischen Überlieferung und zum ursprünglichen Geist unseres Ordens zurückzukehren. Er stelle den Geist un­seres heiligen Vaters Bruno ins helle Licht und halte an den gesunden Überlieferungen fest, die vor allem Guigo gesammelt und der Orden seit seinem Bestehen treu bewahrt hat.
  7. Die Jungprofessen unterstehen in den ersten drei Jahren der zeitlichen Profeß weiterhin der Leitung des Novizenmeisters. Dieser richte sein besonderes Augenmerk darauf, sie von Anfang an, und zumal im letz­ten Jahr, allmählich an die Einsamkeit und die heilige Freiheit unserer Berufung zu gewöhnen. Nach dem Über­gang zu den Professen mit feierlichen Gelübden sind sie nicht mehr dem Novizenmeister unterstellt.
  8. Viermal im Jahr soll der Magister vor dem Prior und dessen Rat über das Befinden der einzelnen Novizen Rechenschaft ablegen und auch, wenn er gefragt wird, über die Jungprofessen Bescheid geben. Auch sol­len er und der Vikar die jungen Novizen vor einer neuen Ausbildungsstufe dem Konvent vorstellen und über ihre Mängel und Vorzüge klare und genaue Auskunft erteilen. Denn aufgrund dieser Auskunft, zumal durch den Magister, soll sich der Konvent ein Urteil bilden und über deren Zulassung abstimmen.
  9. Der Prior muß die Novizen persönlich kennen und ihre Ausbildung überwachen, doch so, daß der Ma­gister sie mit der nötigen Freiheit führen kann. In Sachen seines Amtes wende er sich bereitwillig an den Prior und lehre auch die Novizen, dem gemeinsamen Vater dasselbe Vertrauen entgegenzubringen.
  10. Vom zweiten Noviziatsjahr an sollen die Novizen mit ihren Studien beginnen, die mit Bedacht nach den Richtlinien der Studienordnung in gleicher Weise auf ihre monastische und priesterliche Ausbildung abge­stimmt werden sollen. Doch sollen die Mönche zur Prie­sterweihe nicht zugelassen werden, bevor sie die menschliche und geistliche Reife besitzen, um vollkom­mener an dieser Gabe Gottes teilhaben zu können.

Kapitel 10


Die Profeß«»

  1. Der Mönch ist zwar durch die Taufe der Sünde ge­storben und Gott geweiht, durch die Profeß aber wird er vollkommener dem Vater übereignet und von der Welt losgelöst, um unmittelbarer nach der vollkommenen Liebe streben zu können. Durch einen festen, dauerhaf­ten Vertrag dem Herrn beigesellt, hat er Anteil am Geheimnis der Kirche, die durch ein unlösliches Band mit Christus verbunden ist, und bezeugt der Welt das neue, durch die Erlösung Christi erworbene Leben.
  2. Wenn der Novize gegen Ende des zweiten Noviziats­jahres für die Aufnahme tauglich scheint, soll man ihn dem Konvent vorstellen. Dieser prüfe die Angelegen­heit eingehend und stimme einige Tage darauf über seine Zulassung ab (vgl. 8.9). Der Novize aber verpflichte sich nur in voller Freiheit und nach reiflichem Beden­ken.
  3. Hat sich der Prior für die Zulassung des Novizen entschieden, soll dieser nach vorhergegangenen achttägigen Exerzitien die Profeß in der weiter unten beschriebenen Weise (36.8-10) ablegen. Von da an soll er Professe des Hauses bleiben, in dem er die erste Profeß abgelegt hat.
  4. Diese erste Profeß wird auf drei Jahre abgelegt. Nach deren Verlauf ist es Sache des Priors, nach Abstimmung des Konvents (8.9) den Jungprofessen auf zwei Jahre in die Gemeinschaft der Professen mit feier­lichen Gelübden aufzunehmen. In diesem Fall erneuert der Mönch die zeitliche Profeß auf zwei Jahre. In einem der beiden Jahre, gewöhnlich aber im zweiten, soll der Profeßanwärter von den regulären Studien befreit sein, um sich mit gründlicherer Überlegung auf die feierli­chen Gelübde vorzubereiten.
    Es sei jedoch bemerkt, daß die Probezeit eines Professen mit zeitlichen Gelübden nach dem Ermessen des Priors verlängert werden kann. Entweder verlängert man sie nach drei Jahren, bevor der Jungprofesse zur Ge­meinschaft mit den Professen mit feierlichen Gelübden zugelassen wird, oder man verlängert sie nach fünf Jahren, bevor er die feierliche Profeß ablegt. Indessen darf die Probezeit mit zeitlichen Gelübden nie sechs Jahre überschreiten.
    Aus einem angemessenen Grund kann das Generalkapi­tel oder der Reverendus Pater jemanden von der Dauer der zeitlichen Gelübde und des Noviziates entbinden, jedoch unter Wahrung des allgemeinen Kirchenrechts.
  5. Vor der ersten Profeß soll der Novize die Verwal­tung seines Vermögens an eine Vertrauensperson ab­treten und über seine Verwendung und Nutznießung frei bestimmen. Er behält aber, solange er durch zeitliche Gelübde gebunden ist, das Eigentumsrecht.
    Um aus einem angemessenen Grund diese Verfügungen zu ändern oder irgendeine Anordnung bezüglich seiner zeitlichen Güter zu treffen, benötigt der zeitliche Professe die Erlaubnis des Priors seines Profeßhauses.
  6. In der Christusnachfolge muß der Jünger allem und sich selbst entsagen. Daher soll der Profeßanwärter vor der feierlichen Profeß auf alle Güter, die er tatsächlich besitzt, verzichten; er kann dabei jedoch, wenn er will, bezüglich der Güter, auf die er einen Rechtsanspruch hat, Anordnungen treffen. Kein Ordens­mitglied darf von dem zeitlichen Professen das Gering­ste von seinem Besitz erbitten, auch nicht für einen frommen Zweck oder um irgendwelchen Personen ein Almo­sen zu spenden. Vielmehr soll dieser frei nach Belieben über sein Eigentum bestimmen.
  7. Wenn der Zeitpunkt der feierlichen Profeß bevor­steht, soll der Profeßanwärter an einem Kapiteltag oder am Tag zuvor Barmherzigkeit begehren und um Auf­nahme als demütigster Diener aller bitten. Dann sollen ihn zwei vom Prior bestimmte Mönche dem Konvent vor­stellen, der einige Tage darauf über seine Zulassung abstimmen soll (vgl. 8.9). Der Prior benötigt zu dessen Zulassung außerdem die Zustimmung des Reverendus Pater.
  8. Am festgesetzten Tag legt der Profeßanwärter inder Konventmesse nach dem Evangelium oder Credodie Profeß ab (36.13-14). Denn dann wird das Opferseiner selbst, das er mit Christus darbringen will, vonGott durch die Hände des Priors angenommen und geweiht.
  9. Der Profeßanwärter soll die Profeßformel persön­lich in folgender Weise und mit folgendem Wortlaut niederschreiben: Ich, Frater N., verspreche Beständig­keit, Gehorsam und Bekehrung meines Lebens vor Gott und seinen heiligen und vor den Reliquien dieser Einsiede­lei, die zur Ehre Gottes, der seligen, allzeit reinen Jungfrau Maria und des heiligen Johannes des Täufers erbaut ist, in Gegenwart des Priors N.
    Bei der ersten zeitlichen Profeß fügt man nach dem Wort verspreche hinzu: auf drei Jahre. Wird die Profeß später verlängert, gibt man die Zeit der Verlängerung an. Bei der feierlichen Profeß setzt man auf ewig ein.
  10. Hier ist zu bemerken, daß alle unsere Einsiedelei­en zuerst zur Ehre der seligen, allzeit reinen Jungfrau Maria und des heiligen Johannes des Täufers geweiht werden, die wir als unsere Hauptpatrone im Himmel haben.
    Jede Profeßurkunde soll vom Professen selbst und vom Prior, in dessen Hände die Profeß abgelegt wurde, unterzeichnet, mit dem Datum versehen und im Hausarchiv aufbewahrt werden.
  11. Nach der Profeß betrachtet sich der aufgenommene Mönch gegenüber allem, was von dieser Welt ist, so sehr als Fremdling, daß er ohne Erlaubnis des Priors über gar nichts, nicht einmal über sich selbst mehr bestimmen kann. Denn von allen, die den Ordensberuf ergriffen haben, muß der Gehorsam mit großem Eifer ge­halten werden. Wir aber müssen ihn mit um so größerer Hingabe und Sorgfalt leisten, als unsere Berufung strenger und herber ist. Fehlt nämlich der Gehorsam – was ferne sei -, bliebe so große Mühe ohne Lohn. Daher sagt Samuel: Genorsam ist besser als Opfer, Hinhören besser, als das Fett von Widdern darzubringen.
  12. Die zeitliche wie die feierliche Profeß kann man nur ablegen, wenn der eigene Prior anwesend ist und die Konventmesse feiert. Ist er rechtmäßig verhin­dert, soll er einen anderen Prior oder einen anderen Priester unseres Ordens ermächtigen, die Profeß in seinem Namen entgegenzunehmen. Im Profeßtext heißt es dann: in Gegenwart von Pater N., ermächtigt von Prior N. Die Rektoren der dem Orden eingegliederten Häuser können jedoch im eigenen Namen zur Profeß zulassen.
  13. Nach dem Beispiel Jesu Christi, der in die Welt kam, um den Willen des Vaters zu tun, wie ein Sklave wurde und so durch Leiden den Gehorsam erlernte, unterwirft sich der Mönch durch die Profeß dem Prior, der Gottes Stelle vertritt, und strebt danach, zum Vollmaß der Gestalt Christi zu gelangen.